Der folgende Text ist ein Sende-Manuskript für das Radio (WDR 3 ARIADNE 07. 04. 2002). Er
geht zurück auf ein ,Drehbuch‘, das Annette Kristina Banse und Hans Christian
Schmidt-Banse für ein sog. ,Inszeniertes Konzert‘ geschrieben haben, aufgeführt an
fernen kunstliberalen Orten, wo man kulturelle Feuchtbiotope nicht bewachen läßt
von selbsternannten feuilletonistischen Scharfschützen mit provinziell geschroteter
Munition. Die Umarbeitung in die radiophonische Form lag nahe, denn das Konzept des
,Inszenierten Konzerts‘ berührt sich eng mit der dramaturgischen Eigengesetzlichkeit von
Features.
Duft-Noten. Ausgangspunkt war die verblüffende Erfahrung, daß Parfümeure zur Beschreibung
ihres Gegenstands nichts anderes zur Verfügung haben als eine phantasievolle, bildkräftige,
metaphorisch verwegene Sprache. Eine Partitur gibt es nicht, nur Sinneseindrücke, deren
Charakter und Wirkung die Parfümeure trefflich zu um- bzw. zu beschreiben imstande
sind.
Bei näherem Hinsehen, Probieren, kritischem Schnuppern und mehrmaligen Riechvergleichen
fiel uns eine seltsame Parallele zwischen dem flüchtigen Medium Musik und dem
gleichermaßen flüchtigen Medium Duft auf. Auch die Möglichkeit, einmal herzhaft
ungeniert bei den Parfümeuren und ihrem Vokabular zu wildern in der neugierigen
Absicht, ob es – wer weiß? – auch zur Beschreibung von auditiven Eindrücken tauglich
wäre. Mit Wissenschaft hat das herzlich wenig zu tun. Mit dem Leben um so mehr
...
1 = Sie
2 = Er
[bei Duft-Beschreibungen müssen die Stimmen immer einen ,genießerischen‘ Klang
haben]
MUSIK: Debussy, Syrinx, kurz anspielen
1) Die Nase sei unser drittes Ohr, mit anderen Worten: ein zentrales Organ, schließlich
trage man es mitten im Gesicht . . . das behauptet allen Ernstes ein graubärtiger Referent
während des 11. Europäischen Kongresses für Wahrnehmungsforschung in Konstanz
. . . prompt entzündet sich eine turbulente Diskussion . . . [der folgend Dialog
ereifernd]
2) . . . So ein Quatsch: man habe zwei Ohren, aber nur eine Nase . . .
1) . . . jaja, aber das kompensiere die eine Nase mit zwei Löchern . . .
2) . . . Unsinn: mit den Ohren nehme man die Welt wahr, erkenne man Gefahren, höre
Wohlklänge, lausche dem betörenden Tonfall einer sanften Stimme . . .