- 110 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Land of our birth, our faith, our pride, for whose dear sake our fathers died; o motherland we pledge to thee, head, heart, and hand through the years to be.6
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Rudyard Kipling, Puck of Pook’s Hill.

The Lord shall be thine everlasting light, and the days of thy mourning shall be ended.7
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Jesaja 60, 20.

Vaughan Williams feiert patriotisch den Sieg Englands. Die Komposition – zunächst Thanksgiving for Victory betitelt – steht in der Tradition der hymnischen Werke Händels für Siege und Friedensfeiern der englischen Nation. Bekannte Beispiele sind das Utrechter und das Dettinger Te Deum. Idee und Stil finden sich auch in vielen Oratorien Händels wieder. Der hymnische Charakter wird hervorgerufen durch entsprechend gesetzte Blechbläserfanfaren, durch den Einsatz der großen Orgel und des großen Chores. Auch die Heranziehung von Knabenstimmen ist eine typisch englische Tradition und weist ebenfalls auf Händel und darüber hinaus zurück. Dem ewigen Gott wird gedankt und das Vaterland gefeiert – bei den großen Opfern seines Volkes eine verständliche Aussage. Der Frieden ist an die eigene militärische Überlegenheit gebunden, die mit Gottes Hilfe den Widersacher niederzwingt.

Gegenüber dem Engländer schlägt der Schweizer Frank Martin einen anderen Ton an. Er kam dem Kompositionsauftrag von Radio Genf mit dem Oratorium In terra pax nach, das im Herbst 1944 komponiert und am 7. Mai 1945 erstmals ausgestrahlt wurde. Er berichtet über die Entstehung: Ich glaube nicht, daß ich, während ich dieses Oratorium komponierte, jemals irgendwelche Illusionen über die Art des Friedens hatte, der dem Ende des Krieges folgen würde. Aber dieser Mangel an Illusion konnte mich nicht an dem Versuch hindern, den Übergang von tiefster Verzweiflung zur Hoffnung auf eine leuchtendere Zukunft auszudrücken. Und das bedeutete dann, daß ich den Worten Christi die absolute Forderung nach Vergebung – wie sie in seiner Lehre enthalten ist – aussage, ohne die ein wirklicher Friede unfaßbar ist. Aber diese Forderung ist so hoch, dass ihre allgemeine Verwirklichung auf Erden ohne das Wunder einer vollständigen Umwandlung des menschlichen Denkens und Fühlens nicht vorstellbar ist. So kann für uns ein wahrer Friede nur eine Hoffnung, eine Bestimmung, ein Glaube sein, eine Brücke, die in eine unsichere Zukunft geschlagen wird, eine Zukunft, die wir uns aber schon vorstellen müssen, wenn wir auch an ihre materielle und irdische Verwirklichung nicht glauben können.8

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A propos de. Commentaires de Frank Martin sur ses œuvres, publiés de Maria Martin, Neuchâtel 1984, S. 193 f.

Auch Martin griff für sein Werk auf Bibeltexte zurück, allerdings vielfach auf neutestamentliche Passagen. Auf dem Höhepunkt des Werkes wird mit den Worten der Bergpredigt von der Feindesliebe gesprochen (Nr. 9). Martin erreicht in diesem Satz mit den einfachsten Mitteln eine ungeheure Wirkung und eine Fülle von Bedeutungen. Der Sänger rezitiert die Worte im natürlichen Sprachduktus. Dabei steigt er, unterstützt durch die Streicherbegleitung, in kleinsten Tonschritten immer etwas höher. Die kleinen Tonschritte repräsentieren das Vorantasten in eine »unsichere Zukunft«, den mangelnden »Glauben an eine irdische Verwirklichung«. Im Höhersteigen, sowohl in der Tonhöhe als


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