damit deutlich an die letzte Stelle. Aus ähnlichen Gründen fällt nun Verdis
Nabucco zurück, während Henzes
Wir erreichen den Fluß an die zweite Stelle
tritt.
Wie schon an den Gesichtern der Teilnehmenden abzulesen war, konnte das Ergebnis
kaum befriedigen. Zu eng lagen wenigstens drei Opern beieinander, zu heterogen war die
Wahl ausgefallen. Die sich an die Abstimmung anschließende Diskussion brachte vor
allem ein Dilemma zum Ausdruck: Will man eine Handlung präsentieren, die
unmißverständlich im 20. Jahrhundert spielt, kann man entweder eine Oper wie Henzes
Wir erreichen den Fluß präsentieren, deren Musiksprache aber so avantgardistisch ist,
daß sie ein größeres Publikum nicht erreichen wird, oder man kann eine Oper
wie Menottis Der Konsul spielen, deren Musiksprache eklektizistisch ist und
weitgehend nicht dem 20. Jahrhundert angehört. Authentische Musik des 19.
Jahrhunderts wie Verdis Nabucco kann die Problematik nur in historischer Symbolik
nacherzählen, zudem wirkt ihre Musik, zumal nach Kenntnisnahme von Henzes
Tonsprache, reichlich harmlos und kann die Erfahrung von Diktatur kaum angemessen
wiedergeben.
Als beständiger Diskussionspunkt im gesamten Verlauf des Seminars erwies sich die
Frage, wieviel avantgardistisches Klangmaterial man einem größeren Publikum zumuten
dürfe. Die Studierenden hatten die negativen Reaktionen des Opernpublikums in einer
Stadt von 150.000 Einwohnern erfahren, als vor kurzem Henzes Englische Katze auf dem
Spielplan stand; kurze Zeit vorher konnte man eine ähnliche Ablehnung bei Alban Bergs
Wozzeck wahrnehmen – eine Oper, deren Uraufführung immerhin ein Menschenalter
zurückliegt.
Um zur hochschuldidaktischen Ebene zurückzukehren, sei hier das Feedback der
Studierenden am Ende des Semesters wiedergegeben: Sie äußerten, einen breiten
Einblick in das Gebiet der Oper erhalten und dabei kurz und prägnant viele Opern
kennengelernt zu haben, was vor allem für den Lehramtsstudiengang wichtig sei. Die
behandelten Opern seien in vielen Fällen andere als die bekannten gewesen und weit ab
vom Klischee der Oper. Gut, weil besonders intensiv, sei auch die Gruppenarbeitsphase
im zweiten Teil des Seminars gewesen, in der man sich mit einem einzigen Werk
beschäftigt habe und jeder sich selbständig einbrachte. Die Verschiedenheit der
Arbeitsarten wurde hervorgehoben – Kurzreferat, Gruppenarbeit, Plenumsdiskussion –
und die Wettbewerbsatmosphäre als anregend empfunden. Insgesamt sei das Seminar
ganz anders gewesen als konventionelle Seminare: Man habe sich nicht vorwiegend
»berieseln« lassen, sondern in offenen Diskussionen auf den Verlauf des Seminars
einwirken können, da kein Plan vorgegeben gewesen sei. Schließlich sei eine Meinung
zitiert, die auf viel Zustimmung stieß: »Man hatte tatsächlich das Gefühl, etwas zu
verpassen, wenn man nicht anwesend sein konnte.« Bemängelt wurde, daß der
ursprüngliche Plan, sich eine oder mehrere Inszenierungen anzusehen, nicht realisiert
wurde. Aber das war die Entscheidung des Seminars, da trotz der vielen Möglichkeiten
in der Umgebung keine wirklich geeignete Oper auf den Spielplänen zu finden
war.