- 171 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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die Schnellen, die Langsamen, für den Rest? Hat nicht auch die Praktikerin unter ihren Schülerinnen und Schülern vielleicht einen Hochbegabten, fünf sehr Begabte, zehn „normale“ Kinder, fünf Langsame und zwei sehr Langsame?

Kommt sie da mit ihrer Schule im Eigenverlag zurecht? Und unser unsichtbarer Vierte könnte sagen: „Was ich für unterschiedliche Schüler habe, kann die beste Schule nicht wissen, damit muß ich allein fertig werden.“ Recht hat er! Wenn also eine Instrumentalschule es tatsächlich schaffen würde, den ganzen Berg von Stoff gut verknüpft – wenn auch zeitlich sehr gestreckt – anzubieten, müßte sie völlig auskomponiert und bis ins Detail festgelegt sein. Und damit wäre sie nur noch für einen Teil der Schüler brauchbar, nämlich für die, deren Alter, Ambition und Lerntempo eben dieser Schule entsprechen würden.


Unsere vierte Person, der Musiklehrer, könnte außerdem vielleicht noch folgendes sagen:

„Eine solche Schule scheint mich kaum noch zu brauchen. Der Verfasser traut mir offensichtlich nichts zu oder möchte mich einfach ersetzen. So redet er seitenlang auf den Schüler ein: ‚Tu jetzt dies, achte auf das, hast du jenes bemerkt ...‘ Soll ich das nun in der Stunde vorlesen, oder soll es mein Schüler zuhause nachlesen, und haben wir es dann nicht schon fast mit einer Schule für den Selbstunterricht zu tun? Hat es wirklich einen Sinn, mich, den Lehrer, oder sogar die Eltern in der Schule direkt anzureden?

Dauernd ist in den Überschriften von Spaß (... Spaß mit Quinten!) und Lust (... der lustige Daumen!) die Rede. Für Spaß und Lust im Unterricht kann ich wohl besser sorgen, als alle Druckerschwärze. Der Pädagoge ‚vor Ort‘ bin ich! Für viele meiner Schüler ist das Tempo zu langsam (man möchte ja auch nicht dauernd Stücke überspringen), ich aber sehe mich kaum noch in der Lage, in den Ablauf eingreifen zu können. Meine eigenen Erfahrungen und Möglichkeiten, mein Bemühen, jeden Schüler / jede Schülerin möglichst individuell (also unterschiedlich!) zu fördern, all dies bleibt auf der Strecke eines vielleicht hervorragend gebauten, aber starren Schienenstrangs. Dabei geht es zum Beispiel weder in der technischen Arbeit noch in der so wichtigen Improvisation ohne den Lehrerpartner als Animateur und spontanen Erfinder. Da kann eine Schule nichts vorausdenken oder ‚vor‘schreiben! Und wenn dann diese Vorgaben lediglich festgelegte Textrahmen zum Melodie-Erfinden sind, genau im Stil aller übrigen Stücke – oder wenn freie Improvisation sich an kleinlich festgeschriebene Bausteine klammern muß, dann verspielt man die Chance zu einem Erlebnisfeld unvorhersehbarer Abenteuer.

Noch ein Beispiel: Auf einigen Seiten tauchen Hinweise zur Haltung oder Lockerung auf. Entweder der Lehrer hat das immer und vom ersten Augenblick an ‚im Auge‘, oder er hat es leider nicht. Aber dann hilft auch der einmalige, auch der mehrmalige Hinweis nichts.



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