vielleicht einzige Deutsche bleiben zu sollen, der meinen ‚Lohengrin‘
noch nicht gehört hat“1
Röckel sitzt bis 1862 im Zuchthaus Waldheim. In seinem Buch Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim, das 1865 erscheint, schildert er, wie er sein Land vor der Revolution erfuhr:
Dieses herrliche, gesegnete Land inmitten Europas, zerrissen und zerfetzt in einige hundert Stücke, die, oft in weiter Entfernung voneinander, zu zehn und zwanzig einen Staat bilden! Diese große, mit den höchsten Gaben des Geistes und des Herzens beschenkte Nation von 45 Millionen, zerfallen in nicht weniger als 36 verschiedene „Völker“, denen der deutsche Nachbar jenseits der bunten Grenzpfähle schon ein „Ausländer“ war! An ihrer Spitze dieser maskeradenhafte Flitterrand, dieser kindisch-feierliche Pomp, dieses ganze ebenso nichtige als wichtigtuende Treiben der Höfe; diese hohle Aufgeblasenheit des Adels, der, statt dem Volke ein Führer zu sein, bei vollständigstem Mangel alles ernsten, höheren Strebens sein Spiel nur mit Bändchen und Kreuzchen und Sternchen, mit Frivolitäten der läppischsten, wenn nicht verwerflichsten Art hat; diese brutale Willkür der Regierungen nach innen, ihre Ohnmacht nach außen und ihr verächtliches Kriechen, jetzt vor dem nordischen Schirmherrn, wie einst vor dem korsischen Eroberer; dieser protzige Übermut des Militärs und des Beamtentums; und alledem gegenüber dieser Mangel alles Selbstgefühls, diese Schafsgeduld und knechtische Ergebenheit des Volkes – schon dieser ganz allgemeine Charakter unserer deutschen Zustände mit seinem vollständigen Mangel an Scham und Würde, Pflichtgefühl und Rechtsachtung erfüllte mich mit Ekel und Abscheu.3
1.4 Politische Anspielungen im Lohengrin
Wagner nahm die Stoffe für seine Opern gewöhnlich aus den mittelalterlichen Sagen, die er allerdings frei nach seinen Ideen umgestaltete. Wie in keiner anderen Oper setzte er die Sagenfigur Lohengrin jedoch in eine konkrete historisch-politische Situation hinein. Er wählte dazu das Jahr 932, in dem der deutsche König Heinrich I. ein Heer zusammenrief, um eine Bedrohung aus dem Osten abzuwehren. Gerade befindet dieser sich in Antwerpen, der Hauptstadt von |