Modelle musikalisch-syntaktischen Wissens hervor, die nicht nur als deskriptiv, sondern
als kognitiv adäquat gelten können (z.B. Stoffer 1979, Lerdahl/Jackendoff 1983).
Die herausragendsten Ergebnisse dieses direkten Vergleichs sind:
(a) Sprachliches und harmonisches musikalisches Wissen zeichnet sich
in erster Linie durch die mentale Repräsentation relationaler Zusammenhänge (= prozedurales Wissen) aus; nur
sehr erfahrene, geschulte Hörer vermögen ihre Aufmerksamkeit auf
absolute akustische Werte zu richten und zwischen feinen Unterschieden
zu differenzieren (= strukturelles Wissen) (vgl. auch Punkt (7)(c1)).
(b) Das sprachliche und musikalische Wissen ist jeweils hierarchisch gegliedert, d.h. der Hörer unterteilt Sprache bzw. Musik bei der kognitiven
Verarbeitung (soweit möglich) in ein Netzwerk voneinder
abhängiger Konstituenten. Diese Analogie kann die schwere
Zugänglichkeit vieler Arten zeitgenössischer Musik erklären helfen,
denen die sprachähnliche hierarchische Gliederung fehlt.
5.2 Praxisrelevante Aspekte und Ausblick
In den vorangegangenen Kapiteln sollte versucht werden zu zeigen, daß zwischen Sprach- und
Musikverstehen weitreichende Parallelen existieren. Dabei ist allerdings deutlich geworden, daß besonders in musikpsychologischer Hinsicht noch viele Fragen zu klären sind, bevor die in Kapitel 1 vorgestellten pädagogischen und therapeutischen Konzepte beweiskräftig untermauert bzw. neue, gezielt einsetzbare Verfahren entwickelt werden können. Aufgrund dessen werde ich mich im folgenden auf einige allgemeinere Gedanken zur gegenwärtigen Nutzbarkeit der o.g. Ergebnisse beschränken müssen.
Ein erster Aspekt betrifft die Individualität von Verstehensprozessen. Es ist deutlich geworden, daß
das, als was wir etwas verstehen, nicht ausschließlich dem Verstehensobjekt selbst sowie seinem Verwendungszusammenhang erwächst, sondern daß vor allem die individuellen kognitiven Voraussetzungen die Art des Verstehenszugangs bestimmen. Es kann unmöglich ein einziger
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