- 431 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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einen Sinn, also auf Auge oder Ohr, entscheidet; aber da dies aus andern Motiven geschieht, wird es sehr wahrscheinlich auch in anderer Form erfolgen. Damit ist nun durchaus nichts gesagt über die notwendige ästhetische Unzulänglichkeit der jetzt gegebenen, auf dieser Stufe technisch darstellbaren Kunstarten; daß mit den Mitteln des stummen Films ebenso wie mit denen des Hörspiels eine ästhetisch geschlossene Wirkung erreicht werden kann, ist sicher und auf beiden Gebieten durch unanfechtbare Beispiele bewiesen. Nur muß man sich hüten, daraus zu weitgehende oder überhaupt verkehrte Folgerungen für die Zukunft dieser Gebilde zu ziehen. Denn diese beruht auf dem materiellen Unterbau des technischen Vorgangs, der sich in der geschilderten Weise verändert. Wenn zum drahtlosen Fernhören das Fernsehen, zum stummen Film der Klang tritt, wenn der Zusammenschluß der Einzeltechniken auf der höheren Etappe der Technisierung in der oben angedeuteten Weise erfolgt — so ergibt sich ein Prozeß, der geistesgeschichtlich von größtem Interesse ist. Es zeigt sich dann nämlich mit vollständiger Deutlichkeit, daß die Entwicklung der Einzelformen, entsprechend der Stufe der Einzeltechniken, nur ein vorübergehender Vorgang war; und es entsteht nun die höchst interessante Tendenz, der Zusammenordnung der Techniken den Zusammenschluß der Kunsttechniken folgen zu lassen. Schon jetzt kann man sehen, wie sich die Verbindungslinien bilden: das Hörspiel mündet, wenn es ergänzt wird durch das Fernsehbild, in den Tonfilm. Der stumme Film mündet in den Tonfilm und dieser wiederum, mag dies in der gegenwärtigen Epoche auch noch so unzulänglich sichtbar sein, in das Theater. Wenn deshalb jetzt die Forderung ausgesprochen wird, zum Beispiel den Tonfilm auf seine eigenen Gesetze zu prüfen und sich von der Nachahmung von Theater und Oper fernzuhalten, so hat dies zweifellos im Sinn der oben erfolgten Darlegung für den gegenwärtigen Zustand seine Berechtigung; es wäre jetzt verkehrt, wenn man es anders machen würde — aber die jetzt angewandten Prinzipien werden ihrerseits eines Tages überflüssig werden. Die Annäherung des Tonfilms an das Theater ist ein technisch bedingter und damit notwendiger Vorgang, dem man nicht mit Erfolg widersprechen kann, und zwar um so weniger, als nun zweifellos die gleiche Entwicklung ihr Korrelat von der andern Seite her finden wird. Denn Theater und Oper nähern sich ihrerseits dem stummen Film und dem Tonfilm. Was an diesen Gebilden technisch bedingt ist — nämlich die Form


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