- 93 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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sie begleitenden Orchesterapparat besonders diametral gegenüber. Dennoch gibt es interessante, und für Laienorchester durchaus spielbare Solowerke, vorwiegend des italienischen Barock, z.B. Vivaldi, Carulli, Giuliani, Salulini (Konzert für Hackbrett, Streicher und B.c.), und der italienischen oder spanisch geprägten Moderne, z.B. Villa-Lobos, Castelnuovo-Tedesco, Rodrigo, Brouwer (geb. 1939 auf Kuba). Aufführungspraktische Fragen der Akustik, des Konzertsaales, der Klangbalance zwischen Soloinstrument und Orchester u.a. dürften in dieser Sparte fraglos vor der einzelnen Werkwahl zu klären sein und eine Entscheidung für ein Gitarrenkonzert auch häufig vereiteln.

4.1.6.  Streicher-, Bläser- und Kammerorchesterwerke

Die Streicherwerke können in ihrer Präsenz und der Streuung ihrer Auswahl als Plattform der Laienorchesterarbeit gelten, da Streicherensembles als ›Streichorchester‹, ›Kammerorchester‹, ›Collegia musica‹ o.ä. eigenständig agieren, und aus dieser Perspektive die Grenzen zum Kammerorchester, d.h. mit kleiner Bläserbesetzung, fließend sind. Oft haben diese Gruppen Bläserkollegen, die regelmäßig ansprechbar sind, und somit mehr oder weniger ›dazugehören‹. Anderswo werden die Bläser ohne näheren persönlichen Kontakt ›gekauft‹, so daß auf beiden Seiten wenig Kenntnis über die Leistungsmöglichkeiten besteht. Aus Kammerorchestern mit einer kleinen, konstanten Bläserbesetzung hat sich so manches stehende Sinfonieorchester entwickelt, und der Übergang aus der einen in die andere Kategorie ist dabei nicht an einem Zeitpunkt festzumachen. Ab und zu teilen sich sinfonische Besetzungen, und nur die Streichergruppe tritt zuweilen – unter dem Namen des vollen Orchesters – mit eigenem Programm auf. Diese Strömungen näher zu erfassen, wäre möglicherweise durch eine soziologisch-empirische Studie über Orchesterteilnehmer denkbar.

Erwartungsgemäß zeigen die Programme der Streichorchester eine völlig andere Binnenstruktur als die Programme sinfonischen Zuschnitts. Hier sind Besetzungsfragen sekundär, so daß theoretisch die gesamte Literatur ›für Streicher‹ zur Verfügung steht. Ein Überblick über die quantitative Entwicklung zeigt, daß sich hier in 40 Jahren fast eine Vervierfachung vollzogen hat. Dabei läßt sich im Schnitt eine Verdopplung der verschiedenen Werke feststellen (vgl. Abb. 4.31).

Auch hier müssen also einzelne Werke einen deutlichen ›Beliebtheitsbonus‹ aufweisen. Bei näherer Betrachtung ist ein Vergleich der vertretenen Epochen aufschlußreich, auch wenn dies in Einzelfällen zu einer groben Klassifizierung führt. Es lohnt, die Präsenz von Werken des europäischen Barock, der Klassik, der Romantik und der internationalen Literatur des 20. Jahrhunderts zu vergleichen (Abb. 4.32).

Barockwerke stellen sich bei der Analyse bis 1992 als die vorrangig gewählte Epoche dar, jedoch ist der ›Abrutsch‹ in den folgenden fünf Jahren unter die Anzahl von Romantik und zeitgenössische Werke auffallend. Hier wird erst die Beobachtung in den kommenden Jahren entscheiden, ob dies eher zufällig oder eine zukunftsweisende Tendenz ist. Werke des 20. Jahrhunderts stehen konstant seit 1952 an zweiter Stelle, was in keiner anderen Werkgattung der Fall ist, und sie übernehmen 1993–1997 sogar mit 173 Aufführungen oder 30,8 % die Führung. Offensichtlich bieten sich hier Werke an, die der Spielfähigkeit und dem Interesse an einer Repertoireerweiterung


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