- 32 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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Moderne‹ anzusehen. Die terminologische Unterscheidung von ›zeitgenössischen Werken‹ und ›zeitgenössischer Tonsprache‹ bedürfte in diesem Zusammenhang einer klärenden Definition, um den Laienorchestern eine Entscheidungshilfe sein zu können. Eine Horizonterweiterung aller Teilnehmer durch vergleichendes Hören eines selbst studierten Werkes (des Pflichtstückes) im Vortrag mehrerer anderer Orchester ist bei einem Wettbewerb fraglos gegeben. Das Angebot, vielfältige, von vergleichbaren Orchestern gespielte Literatur zu hören und im Gespräch, möglicherweise über die spontanen Äußerungen »gefällt mir – gefällt mir nicht« hinaus, werk- und instrumentenspezifisch zu erörtern, stellt aus Sicht der Veranstalter einen zentralen Bildungsaspekt dar. Bedauern wird jedoch über die bisher geringe Resonanz geäußert.44
44 »Begegnungsmaßnahmen gibt es in dem Bereich nicht, obwohl wir sowohl auf der Landes- wie auch auf der Bundesebene den Begegnungsaspekt der Wettbewerbe sehr stark fördern wollen. Wir erleben immer wieder, daß Orchester wenig Gebrauch davon machen und häufig mit der Einstellung dahin kommen, wir liefern unser Programm ab, warten auf das Endergebnis und fahren dann wieder nach Hause, vielleicht sogar schon früher, so daß vor Bekanntgabe des Ergebnisses die Hälfte des Orchesters schon abgereist ist. Das heißt, die hehre Absicht, die dahintersteckt, wird nur zum Teil umgesetzt. Hier habe ich schon konkrete Vorschläge, die ich dem Hauptausschuß für den nächsten Wettbewerb als entsprechende Anregungen geben möchte, weil ich das sehr schlimm finde, gerade für die Teilnehmer selbst, wenn sich da so diese Berufsmusiker-Mentalität breit macht, wir fahren da eben mal hin, spielen, lassen uns alles bezahlen usw.« (KINDT, FB 4.)
Eine Besonderheit stellt allerdings das Jurykonzept dar, indem 75 % der Wertungspunkte (fünf Bewertungskriterien mit Punkten von 1,0 bis 25,0) durch eine Fachjury und 25 % durch eine im Vorhinein besetzte Teilnehmerjury (je ein Vertreter jedes Orchesters einer Kategorie) vergeben werden. Dies führt zu einer bemerkenswerten Situation.45
45 »Durch die beruflich breit gestreute Zusammensetzung der Jury [Berufsmusiker, Musikpädagogen, Journalisten, Rundfunkredakteure u.a.] kommen sehr viele unterschiedliche Grundaspekte in der Diskussion zusammen, wie man die Leistung eines Orchesters bewertet. Wir haben so bestimmte Grundrichtlinien, die auch schriftlich fixiert sind, also musikalische Kriterien, z.B. daß man Interpretation, Intonation, Stilsicherheit, auch die technische Gesamtleistung des Orchesters, das Zusammenspiel betrachtet. Ich denke, mit diesen Kriterien ist man einerseits gerüstet, auf die Grundaspekte eines musikalischen Vortrags einzugehen, andererseits ermöglichen sie aber auch eine Offenheit, sehr stark auf die Ensembleleistung im Einzelfall reagieren zu können, um zu versuchen, das in Einklang mit dem anderen Leistungsbild zu bringen. Wir haben das Prinzip der Teilnehmerjury, die mit 25 % die Leistung eines Orchesters mitbewertet, was im Einzelfall durchaus dazu führen kann, daß ein durch die Fachjury in Leistungsstufe ›sehr gut‹ eingestuftes Orchester durch die Wertung der Teilnehmerjury runterrutscht auf ›gut‹ und umgekehrt. Da ist es dann eigentlich immer die Aufgabe der Juryvorsitzenden, die Fachjuroren davon zu überzeugen, daß man das Urteil der Teilnehmerjuroren ernst nimmt [. . .] Da gibt es ganz heiße Diskussionen [. . .] Bei den bisherigen Wettbewerben haben wir die Beobachtung gemacht, daß die Teilnehmerjury sehr treffend geurteilt hat, daß mit sehr guten Argumenten auch die Leistungen der Kollegen diskutiert werden, und daß sie in der Regel strenger sind als die Fachkollegen. Jetzt in Gera haben wir gerade im Sinfonie- und Kammerorchesterbereich erlebt, daß da die Fachjury etwas strenger war und die Teilnehmerjury durchweg etwas großzügiger gepunktet hat, aber ob das ein Einzelfall war, oder ob der Trend sich ein bißchen umkehrt, das muß man beobachten, aber beides besteht, und man kann durch die gemeinsame Diskussion das Bild richtig einordnen. Und gerade diese gemeinsame Diskussion am Schluß eines Wettbewerbstages finde ich ausgesprochen interessant, weil die Teilnehmer aus einer ganz anderen Blickrichtung und Warte die Sache begutachten als die Fachjuroren«. (KINDT, FB 4.)

Die musikalischen Kriterien der Wertung sind somit die herkömmlichen: Interpretation, Intonation, Stilsicherheit, Zusammenspiel, technische Gesamtleistung. Das


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