- 42 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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»Eure naturalistischen Abbildungen waren schlecht gemacht. Darstellend wähltet ihr einen Standpunkt, der keine echte Kritik ermöglicht. In euch fühlte man sich ein, und in die Welt richtete man sich ein. Ihr wart, wie ihr wart, und die Welt blieb, wie sie war.«85
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Brecht, Werke XVI, S. 520

Brechts Ziel ist folglich die Hervorbringung bzw. Offenlegung eines kritischen Standpunktes. Als politischer Dichter dachte Brecht natürlich an politische Vorgänge. Das Aufklärerische seines Theaters sollte darin bestehen, die (schlechte, veränderungswürdige) Wirklichkeit ihrer Normalität zu entkleiden. Brecht wollte die Wirklichkeit als veränderbar darstellen. Dabei hielt er für das größte Hindernis ihrer Veränderbarkeit, dass das Volk (= der Theaterzuschauer) ihre Veränderbarkeit nicht erkennt. Würde es das erkennen, dann würde es auch die Welt verändern. Darum zielt Brechts Schaffen wesentlich auf eine kritische Haltung des Zuschauers ab.86

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vgl. dazu ausführlich: Kobel, Jan: Kritik als Genuss. Über die Widersprüche der Brechtschen Theatertheorie und die Unfähigkeit der Literaturwissenschaft, sie zu kritisieren, Verlag P. Lang, Frankfurt/Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1992. S. 172ff.

Brechts Theater soll, wenn einer kritischen Haltung dienlich, dann auch emotional sein:

»Es [das epische Theater] verzichtet in keiner Weise auf Emotionen. Schon gar nicht auf das Gerechtigkeitsgefühl, den Freiheitsdrang und den gerechten Zorn. [...] Die ›kritische Haltung‹, in die es sein Publikum zu bringen trachtet, kann ihm nicht leidenschaftlich genug sein.«87

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Brecht Werke, XVII, S. 1144

An den Gegenständen der Stücke will Brecht die ihm richtig erscheinende Haltung erzeugen, sie sind Mittel, zu einer von ihm als zutreffend erachteten Einstellung zur kritikablen Welt zu erziehen, die er dem Publikum als dessen eigentliches Interesse unterstellt. Aufgabe des Theaters sei es, die Menschen aus ihrem passiven Umgang mit der Wirklichkeit herauzuholen, indem ihnen die Veränderbarkeit der Welt nachgewiesen würde. Brechts Theater bezweckt, sein Publikum zu einem »fremden Blick« auf die Dinge zu erziehen, damit »das viele gegebene ihm als ebensoviel Zweifelhaftes erscheinen könnte«.88

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vgl. Brecht, Werke XVI, 681
Mit der moralischen Aufgabe, die er der Kunst zuweist, scheint Brecht insofern keineswegs weit von den Zielen klassischer Wirkungsästhetik entfernt zu sein. Ihr ging es darum, zum besseren Menschen durch Kunst zu erziehen. Der Zuschauer sollte lernen, seine Zwecke aus einer moralischen Haltung heraus zu formulieren. Brechts Theater will zur kritischen Haltung erziehen, aus der dann die ›richtige‹ Praxis folgt. Dies sei die Aufgabe »unseres Zeitalters«.89
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vgl. Brecht, Werke XVI, 682: »Es ist eine Lust unseres Zeitalters, das so viele und mannigfache Veränderungen der Natur bewerkstelligt, alles so zu begreifen, daß wir eingreifen können. Da ist viel im Menschen, sagen wir, da kann viel aus ihm gemacht werden; nicht nur, wie er ist, darf er betrachtet werden, sondern auch, wie er sein könnte. Wir müssen nicht von ihm, sondern auf ihn ausgehen. Das heißt aber, daß ich mich nicht einfach an seine Stelle, sondern ihm gegenüber setzen muß, uns alle vertretend, Darum muß das Theater, was es zeigt, verfremden.«
Den Klassikern sprach Brecht eine Wirkung in den Diensten des Humanismus ab. Zur Bewusstmachung humanistischer Tendenzen im Sinne einer

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