2.2.1. Illusionstheater und EinfühlungVorab sei prinzipiell die banal erscheinende Tatsache festgehalten, dass die Identität des Darstellers mit der Rolle selbstverständlich nicht herzustellen ist. Die Existenz des Darstellers ist niemals getilgt. Vielmehr handelt es sich beim Begriff der Einfühlung um einen Idealtypus. Die Kompliziertheit der verlangten Identität besteht nun darin, dass sie einerseits nicht realisierbar ist, Darsteller und Rolle bleiben verschieden, andererseits existiert die Rolle als auf der Bühne verwirklichte nur in der Subjektivität ihres jeweiligen Darstellers. Die genaue Beschaffenheit der Widersprüchlichkeit dieses Begriffes beschreibt der italienische Schauspielers Tomaso Salvini, ein Zeitgenosse Stanislavskijs folgendermaßen: »Der Schauspieler lebt und lacht auf der Bühne, doch indem er lacht und weint, beobachtet er sein Lachen und seine Tränen. Und in diesem Doppelleben, in diesem Gleichgewicht zwischen Leben und Spiel besteht die Kunst.«73
Salvini fasst das Verhältnis von der Realität des Schauspielers zur realisierten Bühnenfigur als »Gleichgewicht zwischen Leben und Spiel«. Der Ausdruck des »Gleichgewichts« verdeutlicht die Dynamik dieses Verhältnisses: Die verwirklichte Identität von Darsteller und Bühnenfigur als zentrales Element ›einfühlenden Theaters‹ zu fordern, verfehlt den eigentlichen Kern schauspielerischer Darstellungen. Denn einerseits existiert diese Identität bereits von vornherein, eine Bühnenfigur in einer Theateraufführung gibt es nur als eine durch den Darsteller realisierte und nur so, wie sie der jeweilige Darsteller realisiert. Andererseits betrachtet man gerade nicht den jeweiligen Darsteller als ›Privatperson‹, sondern seine Tätigkeit, eine Figur darzustellen. Die dargestellte Welt unterscheidet sich also zwar grundlegend vom Darsteller, jedoch erlangt sie nur durch ihn ihre Identität. Salvini hat erkannt, dass Theater nicht mittels der Kategorie einer fiktiven Kunstwirklichkeit zu erfassen ist, die einer ›wirklichen‹ Wirklichkeit entgegenzuhalten sei,74
Auch im eindrucksvollsten Illusionstheater beruht jedoch das illusionierte Erlebnis des Zuschauers auf der Verabredung, die dargestellte Welt zu glauben. Der |