- 119 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Füchslein, das sich nicht in sein Schicksal der Gefangenschaft fügt. Zweitens erfolgt im Garten der Försterei – domestizierte Natur in der Nähe des Waldes! – der Tagtraum des Försters von seinem erotischen Naturerlebnis mit Terynka.

In der Schänke spielt fast die komplette Handlung zwischen den Menschen, also die Szene, in der der Förster die Vorgänge um Terynka ironisiert (die Verliebtheit des Schulmeisters und die Tatsache, dass die dem Pfarrer in Obhut gegebene, von ihm begehrte Terynka – vom Wilderer Hàraschta – schwanger ist). Weiterhin wird hier der Zorn der Bauern gegen den Pfarrer wegen dieses Vorkommnisses und der Spott auf den Förster, der sich einen Fuchs in den Hühnerstall geholt hat, deutlich. Im zweiten Schänken-Bild (III. Akt, 8. Bild) erfährt der Förster von Terynkas Hochzeitsgeschenk, einem Muff. Daraus schließt er, dass das Füchslein tot ist. Er selbst und der noch anwesende Schulmeister haben Todesahnungen. Der kurze Überblick über die Vorgänge gibt Klarheit über die Menschenwelt. Es geht ausschließlich um die unerfüllten Wünsche und Begehren der Menschen, die zum Gegenstand von Spott und Ironie werden; jeder macht seinem Gegenüber das Leben schwer, indem er dessen Gesichtsverlust provoziert. Alle sind gestraft von ihrer ›schlechten‹ Moral, die ihnen Heimlichkeit gegenüber ihren Begehren auferlegt. In ihrer unausgesprochenen, sinnenfeindlichen und damit unnatürlichen Moral hat der unaustehliche Umgang der Menschen seine Grundlage. Nur betrunken, auf dem Waldweg nach Hause, im quasi unbewussten Zustand, gestehen sie jeder für sich ihren unglücklichen Zustand unerfüllten Begehrens ein.

Das Bühnenbild realisiert konkret den Garten der Försterei, bzw. die Schänke. Von der Hundehütte über den Misthaufen im Garten bis hin zur über dem Tisch hängenden Bauernlampe, den Bierhumpen und vergilbten Bildern an der Wand in der Schänke ist alles zu sehen. Felsenstein begründete im Rahmen einer Diskussion, die anlässlich eines Gastspieles in Prag 1962 stattfand, warum das Bühnenbild zum ›Füchslein‹ so wenig stilisiert war:

»Aber es wird ihn [den Vorredner, den Komponisten Jan Hanus] vielleicht interessieren, daß, bevor dieses Bühnenbild entstanden ist, ich mit dem Bühnenbildner drei verschiedene Lösungen bereits versucht hatte, die wesentlich stilisierter waren und die uns hinsichtlich des Verständnisses des Werkes nicht befriedigt haben. Die anderen drei stilisierten Variationen, die wir vorher versucht hatten, kamen immer in den Verdacht, nicht die Naivität des Werkes zu unterstützen.«145

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in: Jahrbuch der Komischen Oper II, Henschelverlag, Berlin 1962, S. 140

Felsenstein verlangt Naivität der Vorgänge. Die in hohem Maße symbolischen und philosophischen Inhalte der Stückhandlung sollten nicht bezeichnet werden, ihre Bedeutung nicht ausgestellt werden, sondern in sichtbaren und verstehbaren menschlichen Vorgängen ihren Ausdruck finden. Die von vielen Kritikern als besonders naturalistisch empfundenen Schänken-Bilder sollten in ihrer – bewussten – Konkretheit einen Gegenpol zur Symbolik bilden. Bemerkenswert erscheint, dass den Kritikern, ob sie nun den ›Märchenklang‹146

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K.O. in ›Die Welt‹, 1.6.1956: »Den Märchenklang, den Felsenstein so bewußt anschlägt, nehmen vor allem Rudolf Asmus als Förster, Werner Enders als Schulmeister und Josef Burgwinkel als Pfarrer mit viel Laune auf [. . . ].« zit. nach: Kobàn (1997), S. 193
oder die Antiquiertheit des Bühnenbildes147
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Paul Müller in der ›Neuss-Grevenbroicher Zeitung‹, 28.5.1957: »Das Försterhaus oder die zweizimmrige, düstere Schänke könnten einer frühen Hauptmann-Aufführung entstammen.« zit. nach Kobàn (1997), S. 195
feststellten, anzumerken ist, dass durch das – vermeintlich naturalistische –

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