ein
befriedigendes Resultat zu garantieren. Adorno ist derselben Meinung, wenn er schreibt:
»Was nicht, zumindest an Modellen, zur einzelnen Note und zur einzelnen Pause
hinabsteigt, ist als Interpretationsanweisung unverbindlich« (Adorno [1963],
S. 276). Oder (in einer Aufzeichnung): »Genaue Analyse als selbstverständliche
Voraussetzung der Interpretation. Ihr Kanon ist der fortgeschrittenste Stand der
kompositionstechnischen Einsicht« (Adorno [2001], S. 10). Die LaRuesche Technik, die
sich lokal und global zugleich anwenden lässt, ist folglich zu Interpretationszwecken
bestens geeignet. Es ist wohl kein Zufall, dass auch die Doktorarbeit von Sharon (Sharon
[1982]), dessen Titel seine Arbeit als einen »Performance Guide« vorstellt, die
Guidelines als theoretische Grundlage benutzt.
Jeder der Parameter soll nach redundanten Elementen bzw. Mustern und nach
seltenen Elementen und Abweichungen betrachtet werden. Nicht nur, dass dieses
Verhältnis zwischen Wiederholung und Neuheit den Stil überhaupt ausmacht, so soll
darüber hinaus postuliert werden, dass eine gute Interpretation sich u. a. dadurch
auszeichnet, dass einmalige bzw. seltene Elemente – Abweichungen vom Stil – in ihrer
klanglichen Umsetzung verformt werden.
Die fünf Parameter von LaRue sollen hier als Grundgerüst für die Strukturierung der
Resultate dienen. Ihre genaue Anwendung, die teils als Einschränkung, teils als
Erweiterung vom Originalwerkzeugkasten betrachtet werden kann, sei hier genau
beschrieben:
- Der Sound soll unter fünf Blickwinkeln betrachtet werden. Der Abschnitt
›Artikulation und lokale Dynamik‹ behandelt die Bindebögen und alle dynamischen
Angaben, deren Gültigkeit sich auf eine einzige Note oder Einsatzzeit beschränkt,
wie staccati, Akzente und Ähnliches. Unter ›globale Dynamik‹ werden die Angaben
zur Dynamik analysiert, die auf mehrere Einsatzzeiten wirken. Drei andere
Blickwinkel, ›Pedalanweisungen‹, ›Register‹, und ›Textur‹, verstehen sich von
selbst und brauchen nicht weiter beschrieben zu werden.
- Bei der harmonischen Analyse soll nicht die Riemannsche, sondern die im
angelsächsischen Raum übliche Funktionsharmonik als theoretische Grundlage
benutzt
werden20
Diese Entscheidung soll nicht als eine Kritik der Riemannschen Funktionsharmonik interpretiert
werden: Sie stammt lediglich aus meiner bisherigen musikalischen Erziehung. Wie beim Vergleich
zwischen Mac und PC sind sich beide Systeme viel ähnlicher, als ihre Anhänger es gerne zugeben wollen,
und haben Vor- und Nachteile, die sich grosso modo ausgleichen. Ausschlaggebend für die Benutzung
des einen oder anderen ist lediglich der Geschmack oder die Tradition, nach welcher man erzogen
wurde.
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Bis auf eine Ausnahme, die an entsprechender Stelle erklärt wird, hätte jedoch
in diesem Fall die Riemannsche Analyse sehr ähnliche Resultate erzeugt. Folglich
wurde beschlossen, anstatt der römischen Ziffern die im deutschsprachigen Raum
üblichen Buchstaben (T für Tonika, D für Dominante usw.) für die Notation zu
benutzen, um das Lesen zu erleichtern.
- Die Analyse der Melodie setzt ihre Schwerpunkte je nach Stück unterschiedlich, um
die Verschiedenheit der melodischen Merkmale erfassen zu können. Es werden aber
hauptsächlich die Intervalle, die Gestalt, die Richtungswechsel sowie die Amplitude
betrachtet.
- Der Rhythmus ist in beiden Etüden der Parameter, der aufgrund der durchlaufenden
Sechzehntelnoten bzw. –sextolen am aussageschwächsten ist. Dennoch sollen
die recht seltenen Abweichungen innerhalb dieser durchlaufenden Notenketten
genauestens untersucht werden.
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