- 155 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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12.  Interpretation

In diesem kurzen Kapitel soll festgelegt werden, zu welchem Zweck die herausfiltrierten Gewichte eingesetzt bzw. welche Parameter auf welche Weise verformt werden sollen, um ein zufriedenstellendes klangliches Resultat zu erreichen.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Analyse und der Auswahl der Gewichte müssen nun Entscheidungen bezüglich der interpretatorischen Benutzung dieser Gewichte sowie der allgemeinen Gestaltung der beiden Stücke getroffen werden. Dieser Teil der Arbeit ist mit dem Interpretationsprozess bei einem Pianisten vergleichbar: Nachdem die Noten gelernt, die (in einer computergestützten Performance nicht existierenden) pianistisch-technischen Schwierigkeiten durch Üben beseitigt und das Stück (bewusst oder unbewusst) analysiert wurde, heißt es nun für den Interpreten, Entscheidungen über die Gestaltung des Notentextes zu treffen1

1 Diese Entscheidungen – deren Menge eine ›Interpretation‹ bildet – können bei einem Pianisten vor einer Performance oder während des Vortrags getroffen werden. In Rubato ist das Fällen von Entscheidungen in Echtzeit ausgeschlossen. Es wäre aber theoretisch möglich, eine ähnliche Software zu entwickeln, die Entscheidungen auch in Echtzeit treffen würde, indem beispielsweise zwischen mehreren Möglichkeiten eine durch Zufall generierte Wahl getroffen wird.

. Welche Stimmen, welche Stellen, welche Aspekte der Etüden sollen dem Zuhörer zugänglich gemacht werden? Und welche Parameter sollen verändert (›interpretiert‹) werden, um diesen Zugang zu ermöglichen? Welche der in den herausfiltrierten Gewichten verkörperten Strukturen sollen akustisch umgesetzt werden, und welche Parameter sollten davon betroffen sein?

Wie bei einem Pianisten sind Entscheidungen dieser Art zwar nicht ganz trivial, aber auch nicht Schritt für Schritt begründbar. Ausschlaggebend für die Performancegestaltung sind

  • der persönliche, subjektive Geschmack eines jeden Interpreten, sowie in den meisten Fällen die ästhetischen Prinzipien der Schule, durch welche er geprägt wurde,
  • das Maß an Freiheit gegenüber dem Notentext, das sich der Pianist erlaubt,
  • der (Nicht-) Respekt der aufführungspraktischen Konventionen, die zum Zeitpunkt der Komposition des Stückes gängig waren, und
  • das Klavier an sich, das große Unterschiede zu dem Instrument, für welches das Stück ursprünglich komponiert wurde, aufweisen kann (vgl. S. 27).

Die Art und Weise, in welcher die interpretatorischen Entscheidungen hier getroffen werden sollen, unterscheidet sich von den gerade aufgelisteten Kriterien lediglich durch die obligatorische Benutzung von analytischen Gewichten. Aufgrund der Unmöglichkeit, jede einzelne Entscheidung bezüglich der Performancegestaltung vollkommen objektiv begründen zu können, kann ab diesem Punkt und bis zur Fertigstellung einer musikalisch sinnvollen Performance der beiden Etüden nur


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