sollte, was hier bezweifelt wird, kann seine Interpretation kaum überzeugend gelingen, worauf auch Hilmar-Voit hinweist75
KommentarObwohl das Straßburg-Lied gegenüber den späteren sehr viel weniger vielschichtig angelegt ist, treffen die Beobachtungen aus den beiden vorher behandelten Liedern auch hier zu. Während sich hier die Verfremdung der Militäridiome auf die Trübung ins Mollgeschlecht beschränkt, nutzt Mahler später auch andere melodische und harmonische Mittel – falsche Signale und falsche Harmonien – zur Verzerrung der Idiome. Das wichtigste Ergebnis ist, daß Mahler nicht nur durch die Auswahl der Texte ein Negativbild des Soldaten zeichnet, sondern dieses durch seine Musikalisierung in ganz entscheidendem Maße intensiviert. Die Texte an sich lassen eine Positivierung zu, wie die bekannten Volksliedversionen zu den Liedern belegen. Mahler zieht die Militäridiome musikalisch ins Negative, wodurch das düstere Bild des Militärs erst seine eindeutige Färbung erhält. Ugo Duse hat Anfang der sechziger Jahre musikalische Bezüge zwischen den Volksliedfassungen und Mahlers Liedmelodien ausgemacht, die er als Erinnerungsprozesse und Reminiszenzen bezeichnet. Was er an musikalischen Übereinstimmungen am Straßburg- und am Schildwachen-Lied postuliert, ist weniger frappierend, zumal er sich beim Schildwachen-Lied auf eine Erk-Böhme-Version bezieht, die textlich beträchtlich vom Wunderhorn abweicht76
»Diese Texte lassen in der Erinnerung Bauernlieder, Trompetenstöße, Militärmusik aus der Garnison, traurige Kantilenen der Frauen auf den Schwellen der Häuser, fromme lutherische Choräle, trostlose jüdische Wiegenlieder wiederaufklingen, und dies fließt in einem einzelnen Menschen zusammen, der, so hat es fast den Anschein, zum seltsamen Schicksale berufen war, die heile Wiener Welt anfangs zu verstören, in der Folge zu skandalisieren, um sie schließlich zu terrorisieren, indem er über sie die Lawine jener Erinnerungen als dunkle Weissagung der Trümmer hereinbrechen läßt.«77
Mahlers Lieder haben, so wurde eingangs des Kapitels festgestellt, autobiographischen Charakter. Mahler war aber nie Soldat, und ebenso wenig aktiver Pazifist. Eine Anti-Kriegsinitiative läßt sich weder den bislang zitierten Dokumenten zu den einzelnen Liedern entnehmen noch ergibt sie sich aus seinen Berührungen mit der Politik seiner Zeit, wie im zweiten Kapitel herausgearbeitet ist. Die Dokumente |