- 46 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (45)Nächste Seite (47) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

wodurch wiederum der Antisemitismus als demagogische Waffe gegen den Sozialismus genutzt wurde.156
156
Julius Braunthal, Victor und Friedrich Adler, Wien 1965, S. 134ff.; Beller, S. 211, 228.
Der Kreis um Adler und Pernerstorfer, der um 1880 im Deutschnationalismus eine Antwort auf den liberalen Kosmopolitismus einer veralteten österreichischen Bourgeoisie sah, orientierte sich ab der Mitte der achtziger Jahre auf einen neuen Kosmopolitismus hin, auf einen sozialistischen der internationalen Arbeiterbewegung.157
157
Hans Mommsen, Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgischen Vielvölkerstaat, Wien 1963, bes. S. 101ff.
Mahler hat diese Wandlung seiner Freunde Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer mitvollzogen.

Ein gewisses Licht auf Mahlers Haltung zur Nationalitätenproblematik wirft sein Umgang mit den zahlreichen national ausgerichteten Opern und Instrumentalwerken der Zeit. In Budapest wird man seine Wahl ungarischer Stoffe und Komponisten noch mit einer Konzession an das ungarische Publikum erklären können, sein Hamburger Repertoire wurde stark von Pollini beeinflußt. Für die Wiener Zeit deuten aber alle Dokumente darauf hin, daß sein Opernrepertoire in allererster Linie auf seinen Entscheidungen beruhte. Als erste Novität seiner Direktionszeit wählte Mahler die Oper Dalibor von Smetana, die am 4. Oktober 1897 erstaufgeführt wurde und bis 1904 23 Aufführungen erlebte, von denen Mahler 21 selbst dirigierte158

158
Franz Willnauer, Gustav Mahler und die Wiener Oper, S. 218.
. Max Kalbeck bemerkt in seiner Kritik, daß das slawische Element mit Rücksicht auf Sujet und Autor in allen Teilen des Hauses stark vertreten war. Man habe Leute gesehen, die sonst eben nicht der Erstaufführung einer neuen Oper beizuwohnen pflegen, zum Beispiel sehr viele tschechische Reichstagsabgeordnete. Am 7. November 1898 erhielt Mahler folgende Zuschrift eines »Deutschösterreichers«:

»Also ›Dalibor‹ ist wieder im Repertoire!! – Sie können es nicht lassen, mit dieser antidynastischen, inferioren tschechischen Nation, die nur Gewaltakte an dem deutschen und österreichischen Staate ausübt, weiter zu fraternisieren. Wie man sich so erniedrigen kann, ist unbegreiflich...«159

159
Blaukopf, Dokumente 216.

Mahler hielt trotz solcher Attacken am slawischen Repertoire fest. Am 8. August 1897 hatte er erstmalig Smetanas Verkaufte Braut dirigiert, die seit 1896 zum Repertoire gehörte. 1899 brachte er die Oper in einer Neueinstudierung heraus, die bis 1907 38 Aufführungen erlebte.160

160
Willnauer, S. 218–235.
Von dem Plan, Smetanas Libussa zu bringen, ließ er ab, engagierte sich aber für Dvořáks Rusalka, deren Aufführung jedoch an zu hohen Honorarforderungen Dvořáks scheiterte. Dafür brachte er im Oktober 1899 Anton Rubinsteins Oper Der Dämon heraus, die es aber nur auf fünf Aufführungen brachte.161
161
La Grange I, S. 810f.
Mahler engagierte sich ebenso für die tschechische Orchestermusik. Am 4. Dezember 1898 führte er in einem Philharmonischen Konzert Dvořáks symphonische Dichtung Heldenlied auf.162
162
La Grange I, S. 753.
Im dritten Philharmonischen Konzert der Saison 1900/01 setzte er Smetanas Ouvertüre zur Oper Libussa sowie den Zyklus Mein Vaterland auf das Programm.

In einem Brief vom 13.9.1899 teilte er dem Direktor des Tschechischen Theaters in Prag mit, er wolle drei russische Opern aufführen: Rusalka von Dargomijsky,


Erste Seite (i) Vorherige Seite (45)Nächste Seite (47) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 46 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang