- 73 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Eindruck. Zusätzlich bewirkt die Musik (wenigstens in den Glockenszenen) einen Eindruck, der im Gegensatz zu den sonst klaren, realistischen Bildern, eher in die Richtung des für Poe so charakteristischen Phantastischen, Irrealen tendiert (siehe t 6). Anstatt diesen Punkt, das Spiel zwischen ›real‹ und ›irreal‹, ›wahr‹ und ›imaginär‹ auszuweiten, basiert Malles Film auf dem Kontrast ›gut‹ und ›böse‹. Hierbei hat die Musik jedoch keine Funktion, denn sie begleitet weder Wilson mit einem möglichen ›Schreckensmotiv‹, noch sein Gewissen in Form des Doppelgängers, das sämtliche Opfer rettet, mit einem heroischen, ausdrucksstarken ›Heldenmotiv‹. Die weitgehende Paraphrasierung der Bildebene durch die Musik wird dadurch legitimiert, dass in fast allen Fällen der subjektive Höreindruck des Protagonisten wiedergegeben wird. Somit erscheint eine eventuelle Beeinflussung des Rezipienten durch die Mittel der Musikdramaturgie (beispielsweise Spannungsgestaltung durch Dissonanzen) eher ein sekundärer Effekt, nicht jedoch die Hauptintention des Regisseurs zu sein.

  Black Moon – Tristan und Isolde im Wunderland

»Mit Vernunft und Logik ist dem Film ebensowenig beizukommen wie einer Ausstellung surrealistischer Bilder und Plastiken.«172

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Herzberg, Georg: »Black Moon«. In: Film-Echo/Filmwoche 11 (25. 2. 1976), S. 7


Der Spielfilm Black Moon nimmt im Gesamtwerk Malles eine Sonderstellung ein. Er ist einer der wenigen Filme des Regisseurs, die sich nicht in der Realität, sondern in einer surrealistischen Fantasiewelt ansiedeln. Was jedoch das Betrachten des Films im Gegensatz zu Zazie dans le métro und William Wilson erschwert, ist das Fehlen einer zusammenhängenden Handlung. Black Moon gestaltet sich vielmehr als eine »Kettenreaktion der Bilderflut«,173

173
Kern, Raimund B.: »Black Moon«. In: Film-Dienst 23 (9. 11. 1976), Kritik Nr. 20008
als eine Aneinanderreihung von verschiedenen Symbolen, die aus diversen Mythologien entstammen. Anstelle einer Handlung bietet es sich an, von Entwicklungen zu sprechen, die sich durch den Film ziehen und die aufgezeigt werden sollen.

Lily, ein ca. fünfzehnjähriges Mädchen, überfährt im Morgengrauen auf einer Landstraße mit ihrem Auto einen Dachs. Anschließend gerät sie in Kampfszenen eines unerbittlich geführten Krieges, in dem Männer gegen Frauen kämpfen. Als Mädchen erkannt muss sie durch die Wildnis fliehen, bis sie schließlich an einem Landhaus ankommt, das von einer alten, bettlägerigen Dame bewohnt wird. Auf ihrer enigmatischen Entdeckungsreise durch das Haus macht sie die Bekanntschaft mit einem inzestuösen Zwillingspaar, mehreren nackten Kindern und diversen Tieren, unter anderem mit einem Einhorn. Nach der Kinderaufführung einer Szene aus dem Wagner-Musikdrama Tristan und Isolde köpft der Bruder der Zwillinge einen Adler, worauf zwischen ihm und seiner Schwester ein heftiger Kampf entbrennt. Schließlich gibt Lily dem Einhorn die Brust, womit der Film endet.


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