- 71 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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statisch, unpersönlich«), was er auf seine damalige persönliche Situation zurückführt. An dieser Atmosphäre, die vor allem in der Sequenz der Kindheit auffällt,169
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Vgl. Baroncelli, Jean de: »Histoires extraordinaires«. In: Le Monde 20. 6. 1968: »L’évocation de l’enfance de son personnage, déjà marqué par le mal, est d’une sécheresse [. . . ].« (»Die Erinnerung an die Kindheit, bereits durch das Böse gekennzeichnet, ist von einer Trockenheit und Gefühlslosigkeit geprägt [. . . ].«)
hat die Farbgestaltung des Films großen Anteil, für die sich neben dem Kameramann Tonino Delli Colli erneut Ghislain Uhry verantwortlich zeichnet. Verglichen mit den warmen Aufnahmen von Spoleto in Vie privée (erneut dreht Malle Aufnahmen und Fahrten in einer italienischen Altstadt, dieses Mal in Bergamo), wirken die Mauern und vor allem der Himmel kalt und grau. Zudem fehlt im Film ein echter Sympathieträger, was die Identifikation des Filmbetrachters mit dem Film erschwert.

Auch die Musik hat entscheidenden Anteil an der Stimmung des Films. Zum ersten Mal wurde die Partitur eines Malle-Films von Diego Masson erstellt, einem französischen, in Spanien geborenen Dirigenten und Komponisten. Masson studierte am Pariser Conservatoire unter anderem unter René Leibowitz und Pierre Boulez. Dieser Einfluss der Neuen Musik ist auf dem Soundtrack von William Wilson zu hören, was auch ein Novum für Malle darstellt, nachdem die bisherigen Auftragsarbeiten (Zazie, Vie privée, Viva Maria) einem konventionellem Musikstil verhaftet blieben.

  Die Musik im Film

Insgesamt werden im Film sechs Takes montiert, deren Anordnung eine gewisse Symmetrie beinhaltet. Im ersten und im letzten Take erklingen Glocken, die elektronisch verfremdet werden. In den Takes 2 und 5 wird Spannungsmusik eingesetzt (Tötungsversuch im Schlafsaal des Internats und Fechtkampf), während in der Mitte des Films kurz aufeinanderfolgend ein Walzer und ein Klavierstück im On (Fest und Salon) ertönen.

Dieses Stück bildet formal nahezu die exakte Mitte des Film. Gleichzeitig fungiert die mit ihr verbundene Szene als Wendepunkt, was auch durch die Off-Stimme Wilsons deutlich wird (»Tout allait bien – jusqu’à cette nuit«170

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»Alles lief glatt – bis zu dieser Nacht.«
). Es schließt sich an das lange Kartenspiel von Wilson gegen Giuseppina und die darauffolgende Ermordung des Doppelgängers.

Die Takes 1 und 6 bilden in gewisser Weise den Rahmen der Erzählung. Mit den Glocken in den Segmenten 2–4 werden einerseits der Beginn des Gottesdienstes signalisiert (der, da Wilson den Priester im Beichtstuhl festhält, nicht stattfindet), andererseits sowohl akustisch wie auch visuell auf das Ende hingewiesen, denn schon in diesen Einstellungen sieht man den Körper Wilsons in Zeitlupe vom Glockenturm fallen. Der Glockenklang verdichtet sich in zunehmendem Maße zu einem kakophonischen Dröhnen, während in einzelnen Ausschnitten immer wieder der fallende Körper und das gehetzte Gesicht Wilsons gezeigt werden.

Im Schlusstake (Segment 28) werden sämtliche Nebengeräusche außer den Glocken ausgeblendet, so dass man den subjektiven Höreindruck Wilsons erhält, was der


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