Der in Takt 2 erklingende Neapolitaner (Fes mit verdoppelter Septime) erinnert an die Sprache des musikalischen Impressionismus. Man meint sich in einer Szene zu wähnen, die auch auf einem Gemälde von Manet oder Renoir vorkommen könnte. Dieser Wunsch und Kinderschwur, Charlotte zu heiraten, scheint sich in späterer Situation zu bewahrheiten, wenn Klavier I erneut zitiert wird. Charlottes Frage »Tu me gardes?« drückt die Bereitschaft und den Wunsch aus, ihr Leben mit Randal zu teilen, wobei die Musik auf die Kindheitsträume Randals anspielt: Endlich sind der Liebe keine gesellschaftlichen Schranken mehr gesetzt. Klavier Ia ist eine Variante von Klavier I. Auch in dieser zugehörigen Szene drückt Charlotte ihre Sehnsucht und ihre Liebe zu Randal aus; zu dem ausgelassenen Oui-Non-Gespräch (vgl. Segment 63) bildet die Musik abermals einen pessimistischen Kontrapunkt. Das Klavierstück dient der Kennzeichnung der Beziehung Randals zu Charlotte. Malle räumt ihr somit einen zentralen Platz im Leben Randals ein. Weder die Einbrüche noch andere Begebenheiten in seinem Leben werden musikalisch begleitet, einzig das Verhältnis zu seiner Kusine wird dramaturgisch vertont. Gleichzeitig kennzeichnet die Musik durch ihre einzelnen feinen Nuancen das Stimmungsbild. Take 1 steht für die Kindheit und die Träume Randals, die in Take 2 zerschlagen scheinen. Durch das unerwartete Auftauchen Charlottes in London werden beide vorherigen Szenen akustisch zitiert, dennoch verhält sich die Musik nun kontrapunktisch, denn obwohl einer Beziehung nun nichts mehr im Wege stände, deutet die Musik an, dass es nicht zu einer erfüllten Liebe kommen wird. Zu melancholisch muten die Klavierminiaturen an. Bezeichnenderweise schweigt die Musik auch auf dem Höhepunkt der persönlichen Karriere Randals in Segment 78. Er hat alles erreicht: die Liebe Charlottes, Reichtum und die Rache am verhassten Onkel Urbain. Dieses (im Film nur vordergründige) Happy-End wäre im traditionellen Hollywood-Film die Plattform für große musikalische Gesten und satten Streicherklang. Doch in dieser Szene kommt das ganze Dilemma des Georges Randal zum Vorschein. Die Liebe, die er in der Kindheit für seine Kusine empfand, hat sich im Laufe der Jahre in eine von Zerstörungswut und Kleptomanie bestimmte Sucht umgewandelt, so dass bei aller zärtlichen Geste die Augen leer ins Nichts schauen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Randal auch Charlotte zu Liebe seinen Einbruchszwang nicht aufgeben kann und will. Entsprechend setzt sich die Geschichte fort; Randal fährt nach der Verwüstung des Hauses mit der Bahn nach Hause, bis er seinen nächsten Coup verübt. Die Nacht, die er in jenem Haus verbringt und die gleichzeitig den Erzählrahmen für sein Lebensschicksal bildet, gleicht somit einer Liebesnacht, die er jedoch nicht mit Charlotte sondern mit seiner Sucht verbringt.
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