n’allait pas très bien. Maintenant il
›flotte‹. Latente hallucination, absurdité du monde extérieur, impression d’être
guetté.«135
»Le feu follet – découpage«, S. 36 (»Alain ist krank, ihm ist unwohl und schwindelig. Schon
mit den Minville-Brüdern ging es ihm nicht gut, nun ›schwankt‹ er. Ständige Halluzinationen,
absurde Außenwelt, das Gefühl, belauert zu werden.«)
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Die komplexe Rolle der Musik wird in dieser Szene deutlich, da sie einen
phänomenologischen Kontrapunkt zur Außenwelt bildet, gleichzeitig jedoch
dramaturgisch die Handlung paraphrasiert (Alains Befinden). Allerdings wohnen der
Musik auch dramaturgisch kontrapunktische Elemente bei, da die Melodik an manchen
Stellen wie ein ironischer Kommentar auf die Handlungen und die Gefühlslage Alains
wirkt. Dieser kämpft mit sich und dem vor ihm stehenden Cognac. Über Takt 27 steht
in der Partitur »questionnez«, »Fragen Sie«. Die Melodielinie (hervorzuheben ist der
Spitzenton h2, der zeitgleich mit dem f-moll Akkord angeschlagen eine Dissonanz bildet),
die dazu erklingt, mutet wie eine Frage an, die Frage, ob Alain den Cognac
trinken soll oder nicht. Fast wirkt die Musik wie ein zweites Ich, eine innere
Stimme, die den Alkoholiker davon überzeugen soll, das Glas anzurühren. Der
bohrende F-Orgelpunkt wirkt wie ein quälendes Drängen, das Leroy schließlich
dazu bringt, das Glas zu leeren. Der Effekt des Alkohols zeigt sich spätestens
in Takt 39, wenn sich die Harmonik ändert (b-moll) und Alain aus anderem
Blickwinkel gezeigt wird. Ihm steht nun der Schweiß auf der Stirn, und er atmet
schwer.
Diese Szene verdeutlicht, dass bei aller vordergründigen Melancholie
die Musik Saties auch ein widersprüchlich-ironisches Element
enthält. Die Musik ist somit nicht ausschließlich von einer »ineffable
sadness«136
erfüllt, sondern gestaltet den Film atmosphärisch mehrschichtig. Dieser Aspekt erscheint
wichtig, kennzeichnet er doch eine Eigenschaft, die Malle eigens hervorhebt: »The use of
Satie was much more discreet, more like a counter-point. These little piano pieces create
a very melancholic atmosphere but, at the same time, there’s definitely something
ironic about it. It was a sort of distanciation from what was going on on the
screen.«137
Malle in Yakir (1978b), S. 10
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Malle spricht von Satie im Zusammenhang mit der Verwendung von Brahms in Les Amants, welche er
»almost manipulative«138
nennt, während er durch die Klavierstücke in Le Feu follet eine Entfremdung von den
Bildvorgängen erreichen möchte. Statt wie in Les Amants auf breiter Fläche eindeutige
Emotionen durch die eingesetzte Streichermusik zu provozieren, können die Miniaturen
Saties durchaus als mehrdeutig-ironisch aufgefasst werden. Dieser Punkt ist ein
entscheidender Faktor hinsichtlich des Verhältnisses Regisseur-Filmbetrachter und des
Rezeptionsprozesses, da trotz der unzweifelhaft in den Stücken enthaltenden Melancholie
dem Zuschauer mehrere Betrachtungsweisen gelassen werden, er stärker an
der Reflexion (auch wenn diese gegebenenfalls unbewusst abläuft) beteiligt
wird und der Regisseur ihm nicht seinen Standpunkt aufdrängt. Gleichzeitig
korrespondiert diese Musikbehandlung mit der unaufdringlichen Inszenierung und
Kameraführung. Malle verfolgt die Handlung aus einem relativ neutralen Blickwinkel;
die Figur des Alain Leroy sollte nicht als besonders bemitleidenswert dargestellt
werden:
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