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Fassung). Somit überträgt Malle seine Reflexionen, seine Gedanken, aber auch seine Gefühle direkt durch seine Stimmgebung und Artikulation.

Ein wichtiges ästhetisches Merkmal der Filme ist, dass das durch die Präsenz der Kamera veränderte Verhalten der gefilmten Personen akzeptiert wird. Hiermit unterscheiden sich die Indien-Filme von traditionellen Dokumentarfilmen, in denen eine mise en scène, eine Inszenierung der Realität stattfindet, die zu filmenden Subjekte folglich schauspielern. Malle dagegen belässt die Blicke der Einheimischen und damit auch die Rollenverschiebung Betrachter – Betrachtender.336

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Malle erklärt diesen Punkt: »Ich erwiderte: ›Warum sollte ich ihnen sagen, nicht zu uns herzusehen, wir sind doch die Eindringlinge! [. . . ] Sie wissen nicht, was wir machen; es ist ganz normal, daß sie uns anstarren. Ihnen zu sagen, sie sollten nicht zu uns hersehen, wäre der Anfang einer mise en scène.‹ Das finde ich an so vielen Dokumentarfilmen am schlimmsten, daß die Filmemacher von irgendwoher anreisen und dann den Leuten sagen: ›Tut so, als seien wir nicht da.‹ Das ist die allererste Lüge der meisten Dokumentarfilme, diese naive mise en scène, der erste Schritt, die Wahrheit zu verzerren. Mir wurde sehr schnell klar, daß diese Blicke in die Kamera gleichzeitig störend und wahr waren und wir niemals so tun sollten, als seien wir keine Eindringlinge.«, zit. n. French (1998), S. 105
Bereits im Vorspann der Serie L’Inde fantôme montiert Malle diese Blicke. Er wählt sie auch aufgrund ihrer Wirkung auf den Zuschauer: »Nous avons choisi de filmer tous ces regards, d’en faire le leitmotiv de notre voyage. Pour que ce ne soit pas un film confortable, un film que le spectateur regarde dans son fauteuil, sûr de n’être pas vu lui-même, comme un voyeur.«337
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»Wir entschieden uns, all diese Blicke zu filmen und daraus ein Leitmotiv für unsere Reise zu machen. Mit der Intention, keinen bequemen Film zu machen, keinen Film, den der Zuschauer wie ein Voyeur aus seinem Sessel heraus betrachten kann, ohne selbst betrachtet zu werden.« (Louis Malle: »Journal de voyage en Inde«. In: Mallecot (1978), S. 109–158, hier S. 115)

  Cinéma vérité – Cinéma direct

Während diese Beeinflussung der zu filmenden Subjekte indirekt an die Konzeption des cinéma vérité338

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Der Begriff cinéma vérité wurde in Frankreich vor allem durch Jean Rouch geprägt. Rouch, der in den 50er-Jahren mehrere ethnografische Filme in Afrika gedreht hatte, veröffentlichte 1960 zusammen mit dem Soziologen Edgar Morin sein Hauptwerk Chronique d’un été. Die Kamera fungiert im cinéma vérité als Anreger und Katalysator der dargestellten Personen. Diese sollen zu Äußerungen provoziert werden, die sie normalerweise nicht tätigen würden. Laut Hohenberger zielt der Begriff vérité auf die »nur mit den Mitteln des Films herstellbare Wahrheit über das Sichtbare hinaus« und auf die »Wahrheit des Films als enthüllendem Diskurs über das nichtfilmisch Reale« ab. (vgl. Hohenberger, Eva: Die Wirklichkeit des Films. Dokumentarfilm. Ethnographischer Film – Jean Rouch. Hildesheim u. a.: Olms 1988, S. 228)
erinnert – obwohl Malle und seine Crew freilich nicht bewusst durch die Kamera Verhaltensänderungen provoziert hatten, wie es in der Konzeption des cinéma vérité der Fall war –, lehnt Malle diesen Begriff ab: »Also, cinéma vérité ist ein Begriff, den ich nicht so gerne verwende; cinéma vérité ist cinéma mensonge. Cinéma vérité hat eine moralische Dimension; es will die Wahrheit definieren, was sehr anspruchsvoll klingt und nicht unbedingt zutrifft.«339
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Malle in French (1998), S. 210
Malle dagegen bevorzugt den Begriff cinéma direct, einer Technik, die sich an den Begriff des in den 60er-Jahren in den USA von Richard Leacock, D. A. Pennebaker und Robert Drew geprägten direct cinema anlehnt. Diese entwarfen eine Art von Dokumentarfilmen, die vorsah, Vorgänge zu beobachten, ohne in sie einzugreifen:


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