- 103 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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der Haltung der amerikanischen Fischer. Die direkte Zuordnung wird durch das Erklingen der Musik im Autoradio der Krawallmacher gewährleistet.

Ortsbezogene Hintergrundsmusik

Wie schon oben angekündigt, erklingt die Mehrzahl der Takes im On. Neben den bereits erwähnten Beispielen finden sich vielerorts akustische Indizien für bestimmte Orte: die vietnamesischen Gesänge deuten auf einen fremden Kulturkreis hin, während an anderer Stelle typische Hintergrundsklänge des alltäglichen Lebens eingesetzt werden. So bieten die musikalischen Stücke, die in der Bank, im Supermarkt, im Auto, aber auch in der Bar erklingen, typische Beispiele für ein akustisches Porträt der amerikanischen Gesellschaft und Lebenskultur. Besonders deutlich wird dieses in Segment 72 bei der Country-Tanzveranstaltung in Corpus Christi. Nachdem Glory und Dinh Wally im Krankenhaus besucht haben, kommt es bei diesem Country-Ball zu einem Dialog zwischen den erst genannten. Charakteristisch für diese Szene ist der starke Kontrast zwischen den Erzählungen Dinhs, die vom Kriegsgräuel in Vietnam berichten und dem Umfeld einer »population bovine«,249

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Ramasse, François: »Alamo Bay. Cow-Dinh, the All American Boy«. In: Positif 297 (1/85), S. 71–73, hier S. 71 »Population bovine« ist nur schwer zu übersetzen: »bovine« bezieht sich auf das Wort Rind, ein »regard bovin« meint einen »toten, dummen Blick«. Die Assoziation mit Rindern ist hier wohl beabsichtigt, gleichzeitig wird auch die scheinbare Sorglosigkeit und dumpfe Kritiklosigkeit der tanzenden Bevölkerung ausgedrückt.
die sich scheinbar ohne Sorgen an einem Abend mit Country-Tänzen vergnügt. Ramasse drückt dieses wie folgt aus:

»Un travelling latéral suffit en effet à Malle pour mettre en place un décor et des marionnettes dont la facticité éclate avant même que la caméra s’arrête sur le couple Glory-Dinh et que leur dialogue, jusque là hors-champ, renvoie l’auto-représentation des danseurs et des musiciens au rang des illusions dérisoires. C’est alors l’image-baudruche que veut (se) donner l’Amérique qui se dégonfle sous l’effet d’une pointe de dialogue. [...] Trémoussements et bêlements prennent un sérieux coup d’irréalité.«250

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Ebda. (»Eine seitliche Kamerafahrt genügt Malle in der Tat, um eine Einrichtung und Marionetten-Menschen zu zeigen, deren Künstlichkeit ins Auge springt, noch bevor die Kamera auf dem Paar Glory-Dinh anhält. Deren Dialog, bis dahin im Off, stuft die Darstellung der Tänzer und Musiker auf den Rang einer lächerlichen Illusion herab. Dieses ist folglich das Schein-Bild, welches Amerika repräsentieren möchte, ein Bild, das sich unter der Wirkung des Dialoges selbst entlarvt.[. . . ] Die Zappeleien und das Blöken der Tanzenden muten zunehmend irreal an.«)

Dieser Eindruck wird von Malle dadurch verstärkt, dass direkt auf Dinhs Bericht vom Überlebenskampf im vietnamesischen Dschungel die Kamera auf den lächelnden Musikern verharrt und anschließend ein sowohl visuell wie auch musikalisch harter Schnitt auf das folgende Segment mit den Ku-Klux-Klan-Kapuzen erfolgt. Auf den Farbenkontrast ist bereits an früherer Stelle hingewiesen worden.

Malle beschreibt in Segment 72 folglich amerikanische Verhältnisse, deren Eindruck der Irrealität und Lächerlichkeit keinesfalls aus einer übertrieben überspitzten Darstellung resultieren, sondern vielmehr der Realität entsprechen. Irreal und lächerlich wirken derartige Tanzinstitutionen und Cowboy-Moden erst für einen


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