- 76 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Abbildung 1: Stimmung des Synthesizers auf die "Kepler-Töne" und entsprechende Bildschirmdarstellung



Es wird immer wieder gesagt, die Sphärenmusik des Pythagoras und Kepler sei deshalb "harmonikal", weil beide von der These ausgingen, daß das Wesen der Welt "die (kleine ganze) Zahl" sei. Dies ist nur sehr bedingt richtig. Das pythagoreische Komma, das bei Kepler auftaucht, beträgt 81:80 und ist Bestandteil des harmonikalen Weltbilds, während andere ganzzahlige Proportionen, wie man sie seit dem 19. Jahrhundert aus der Obertonreihe ableitet, nicht vorkommen. Keplers Zahlenverhältnisse weichen zudem von den pythagoreischen "Idealen" ersichtlich ab. Und wenn Kepler die Abweichung hörpsychologisch dadurch entschuldigt, daß sie unhörbar klein seien (daß das Ohr, wenn Saiten in der entsprechenden Weise gespannt wären, die Unvollkommenheit nicht leicht unterscheiden könnte),

Johannes Kepler, a.a.O., S. 303

so kann dies einen Pythagoreer nicht überzeugen.

Angesichts der alles andere als einfach-harmonikalen Musik, die sich aus dem Kepler-"Tonsystem" heraus entwickeln läßt, besteht dringender Ideologieverdacht: Die Sphärenmusik soll harmonikal sein, weil sie primär als Legitimation bestehender harmonikaler Musikpraxis eingesetzt wird und nicht in der (kreativen) Funktion als Mittel des Weltverständnisses.


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