- 359 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Erst wenn sie auf diesem Wege ihre musikalischen Fähigkeiten bis zu einem gewissen Punkt verfeinert haben, sind sie in der Lage, sinnvoll und kreativ mit dem Musikcomputer umzugehen. Auch von professionell mit dem Computer arbeitenden  Musikern ist diese Ansicht nicht selten zu hören.

Dem läßt sich wiederum entgegenhalten, daß Schule, wenn sie zeitgemäß sein will und die Menschen auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten will, nicht umhin kommt, den Umgang mit neuen Technologien generell noch deutlicher und noch dezidierter in den Mittelpunkt der Ausbildung zu stellen.

Die Verbreitung und Bedeutung von informationsverarbeitenden Hochtechnologien wird zunehmen - sowohl im Freizeitbereich als auch im Rahmen beruflicher Anforderungen. Eine Ausbildung, die sich verstärkt dem Computer zuwendet, ist daher sowohl im Interesse der ökonomischen Leistungsfähigkeit einer ganzen Gesellschaft, als auch - mittelbar - im Interesse eines zukünftigen Arbeitnehmers, weil Fertigkeiten im Umgang mit Computertechnologien mutmaßlich den Verkaufswert seiner Arbeitskraft steigern werden.

Man kann argumentieren, dies - also die unmittelbare Berufsbezogenheit der Ausbildung - sei gerade nicht Aufgabe der Schule. Vielmehr gehe es in der Schule um Persönlichkeitsbildung sowie um die Vermittlung sozialer Erfahrungen. Um dies zu lernen, sei die Beschäftigung mit dem Computer nicht das geeignete Mittel, am allerwenigstens im Bereich der Musik.

In der Tat läßt sich ja beobachten, daß die innovativen Eliten im Hochtechnologiebereich nicht selten aus Ausbildungsinstitutionen hervorgehen, die eine ausgesprochen musischen Schwerpunkt haben und häufig stark traditionsorientiert sind - ob das nun deutsche Waldorfschulen, angelsächsische Internatsschulen oder japanische Privatschulen in der Trägerschaft von Industrieunternehmen sind.

Wieder ganz anders argumentieren viele Pragmatiker: Schule - so sagen sie - Schule hinkt immer hinterher, so sehr sie sich auch bemühen mag. Laßt uns daher bescheiden sein und in weiser Selbstbeschränkung das tun, womit wir Erfahrung haben: zeitlose Tätigkeiten wie Singen und Musizieren, Noten lernen und über Musik reden. Selbst wenn wir dies wollten - so ist zu hören -, wäre Schule gar nicht in der Lage, sich all der neuen Dinge anzunehmen, welche unsere gegenwärtige Welt hervorbringt, und sich in angemessener Weise mit diesen Dingen zu beschäftigen.

Wie auch immer man zur gegenwärtigen Diskussion um die Veränderungen steht, welche Schule und Erziehung während der siebziger Jahre erfahren hat, ob man diese Veränderungen im Nachhinein als Errungenschaften oder als Fehlleistungen deutet, eines dürfte außer Frage stehen: als gescheitert sind diese Versuche zur Reform der Schule überhaupt nur deutbar, weil man vor zwanzig Jahren die Einflußmöglichkeiten der schulischen Erziehung und von Erziehung überhaupt radikal überschätzt hat.

Gescheitert ist ganz ohne Zweifel die Vorstellung vom mündigen Bürger aus der Retorte, der über personale Eigenschaften wie Kritikfähigkeit oder Toleranz als Ergebnis operationalisierter Lernprozesse verfügt.


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