Der Computer als ständig verfügbares Arbeitsmittel im
Musikunterricht
Reimer Flügel
Die folgenden Ausführungen basieren weniger auf Theorien als auf der langjährigen
Praxis eines handlungs- und gegenwartsorientierten Musikunterrichts an einer
niedersächsischen Hauptschule.
1. Grundlagen und Prämissen
Gegenwartsorientierung bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der Musikunterricht
seine Lernfelder nicht „korkenzieherartig“ aus der Musiktheorie und der Musikgeschichte
heraus entwickelt, sondern die populäre Musik zur Basis der Lerninhalte macht und sich
dann historische Vorbilder sucht und je nach Notwendigkeit musiktheoretische Inhalte
mit einbezieht. Diese Sichtweise macht insofern Sinn, als die Schüler heute ständig
freiwillig und unfreiwillig von populärer Musik umgeben sind und von ihr beeinflußt
werden.
Musik hat dabei inzwischen die Funktion einer Ware, für welche die gleichen
Gesetzmäßigkeiten gelten wie für alle Produkte unserer Zeit:
- Sie wird möglichst perfekt produziert, wobei die „soundmäßige“ Perfektion häufig
alles andere überdeckt.
- Sie wird auf Märkten plaziert und entsprechend promotet.
- Ihre Verbreitung ist konsum- und gewinnorientiert.
- Musik ist ein Massenmarkt.
Vor diesem Hintergrund wächst jedoch die Entfremdung von Musik auf der Ebene der
emotionalen Nähe, da die Musik nicht mehr unbedingt Ausdruck von Stimmungen und
Gefühlen ist, sondern die Summe von Ideen und Techniken, die das Produkt von
anderen unterscheiden sollen. Davon wird auch die Beziehung zum eigenen
musikalischen Tun beeinflußt. Die hörbaren Ergebnisse eigenen Musizierens können
meist mit den perfekten Klangproduktionen musikindustrieller Fertigung nicht
konkurrieren.
Erfolgreiche musikpädagogische Arbeit setzt jedoch eine emotionale Nähe voraus,
damit das eigene Musizieren trotz aller Unvollkommenheiten als gewinnbringend
empfunden und dadurch angeregt wird. Um dies zu erreichen, muß der Musikunterricht
den Jugendlichen Hörerfahrungen des eigenen musikalischen Tuns ermöglichen, die sich
dicht an die durch perfekten Sound und scheinbare Fehlerlosigkeit geprägten Ergebnisse
industrieller Fertigung anlehnen. Erst damit verschwindet eine wesentliche Barriere für
den Zugang Jugendlicher zu Musik, und zwar auch zu der, die die Musikpädagogik für
wertvoll hält, jedoch nicht von vornherein zu