- 336 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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statisch und unverzögert zusammen auf einen Lautsprecher, verändert die Lautstärke der einzelnen Teiltöne des bewegten Klanges und damit die Klangfarbe je nach Form und Geschwindigkeit der Signalbewegung. In der Synthesizer–Musik wurde dieser Klangeffekt als Phasing oder auch ,Jet–Effekt‘ bezeichnet. Dies wird verständlich, denn die Schwingungsdauer 1/f zeigt uns, wie groß die Auswirkung einer Phasenverschiebung ungefähr auf die spektrale Zusammensetzung ist. Verzögert man einen Klang mit Grundton C gleich 65 Hz und Schwingungsdauer 15,3 ms um 7,65 ms, dann würde eine Phasenverschiebung von 180o und damit eine Auslöschung des Grundtones auftreten.

Die Vorführung von mehrkanaligen Klangraumbespielen bedeutet in diesem Raum einen großen technischen Aufwand und eine andere Sitzordnung. Ich bitte Sie daher um Verständnis, wenn ich Ihnen die Beispiele in möglichst illustrativen Abbildungen vorführe und nur zum Schluß meiner Ausführungen ein zweikanaliges Klangbeispiel einspiele.

Die zuvor erwähnte bessere Klangortsbestimmung bei Gates-gesteuerten Signalbewegungen kann nicht nur mit einer Signalverzögerung sondern auch durch Klangveränderungen, Klangumwandlungen erreicht werden. In Abbildung 7 habe ich das vorige Beispiel mit einer Klangselektion in einer Filterbank, einer Klangtransposition mittels Harmonizer oder einer Klangverzögerung durch ein Echo, beziehungsweise Hallgerät ergänzt.

Es war vor allem die klangliche oder räumliche Beeinflussung eines Interpreten durch das Spiel eines anderen Interpreten, die von den Komponisten sehr bald aufgenommen und kompositorisch in ihr Schaffen integriert wurde. Für mich war es außerdem wichtig, daß der Komponist auch die akustischen Probleme des Gates, die ich Ihnen im Vorangegangenen kurz aufgezeigt habe, vermittelt bekam und von Beginn an seines kompositorischen Prozesses berücksichtigte. So konnten z. B. gerade diese problematischen Vorgänge, ich möchte fast sagen Schwachstellen der Gatesteuerung, als neue formale Konstruktionen erarbeitet werden. Ich denke dabei an die Komposition ...explosante fixe ... von Pierre Boulez, die 1973 in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Experimentalstudio in New York uraufgeführt wurde. Jeder der acht Musiker hatte eine Stimme, die jedoch nicht in einer Partitur zeitlich zusammengefaßt waren. Die Spieler mußten aleatorisch in vorgegebenen Paarungen einsetzen, was bei Gatesteuerungen zu formalen und klanglichen Zufälligkeiten führte, die sich von Konzert zu Konzert neu gestalteten. Die einzelnen Musiker saßen räumlich sehr weit auseinander, die Lautsprecher waren auf der Bühne, im Saal und an der Saaldecke positioniert. Und trotz des auseinandergezogenen Klangbildes der Originalspieler entstand ein geschlossener Klangraum. Pierre Boulez sagte damals:

„Mit dem Gate und seiner regelnden Funktion haben wir eine neue Kommunikation zwischen Spielern, vor allem dann, wenn sie sehr weiten räumlichen Abstand zueinander haben.“

Auf eine völlig andere Art hat Luigi Nono die Gatesteuerung in sein Freiburger Schaffen integriert. Er läßt die Interpreten mit dem Mikrofon wie mit einem Instrument spielen. In seiner Komposition Diario polacco due beeinflussen sich die beiden Sopranstimmen und der Alt abwechselnd gegenseitig über Gate, wie wir


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