- 314 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Das Komponieren mit Umweltklängen: materielle Ausbeutung oder Bewußtseinsvertiefung?

Hildegard Westerkamp

Für meine Mutter, die mich ermutigt hat, andere Welten und Kulturen unerschrocken und mit offenen Ohren zu erleben.

Für Ilse Mentrup, die mir als Erste das Hören beigebracht hat.

Mithilfe der Audiotechnologie ist es jetzt möglich, alle Klänge der Welt festzuhalten. Hören wir deshalb unserer Umwelt bewußter zu, oder verbannen wir die aufgenommenen Klänge ungehört in unsere Schubladen, während unsere Umgebung weiterhin an Lautstärke und Lärmdichte zunimmt? Oder – haben wir unsere Kompositionsideen restlos erschöpft und müssen unsere Klangwelt daher als letzte Ressource ausbeuten? Oder – kann letztlich eine Kompositionssprache entwickelt werden, die unsere Beziehung zur Klangumwelt bewußter behandelt und unser Verständnis für das Hören und Produzieren von Umweltklängen vertieft?

In diesem Jahr ist das KlangArt-Thema Global Village – Global Brain – Global Music. Das Wort „Technologie“ bewegt sich wie ein Grundton durch den ganzen Kongreß. Mein Vortrag wird das Kongreßthema, die Technologie und mein eigenes Thema auf verschiedene Weise und in unterschiedlichen Proportionen ansprechen. Manchmal werde ich anhand von Ausschnitten meiner Klangkompositionen über die Themen „sprechen“, andere Male durch einen Moment Stille. Manchmal werden die Ideen und Gedanken zu den Themen konkret in Worte gefaßt, andere Male bleiben sie unausgesprochen. Immer sind sie aber untergründig dabei. Klang und Stille, gesprochene und ungesprochene Worte: Alle tragen zum Vortrag bei.

Ganz so wie es in der klassischen, indischen Musik zwei Begriffe gibt: anâhata und âhata – der nicht gespielte und der gespielte Ton. Beide sind von gleicher Bedeutung. Ja, bestimmte Schulen sagen, der nicht gespielte sei wichtiger, denn er ist die Basis des gespielten. Die gespielten ihrerseits sind Symbole für die nicht gespielten.1

1
Joachim Ernst Behrendt, Das Dritte Ohr – Vom Hören der Welt, (1988, Hamburg: Rowohlt), 220.

Ein Moment Stille

Eine Klangerinnerung: Als ich vor dreißig Jahren in Osnabrück – dem Ort des KlangArt Kongresses – zur Schule ging, zwängten sich Straßenbahnen, Autos, Motorräder, Roller, Fahrräder, Fußgänger durch die engen Straßen der Innenstadt.


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