- 229 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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  • O-Ton unbearbeitet,
  • O-Ton elektronisch modifiziert, aber noch als ehemaliger O-Ton erkennbar,
  • O-Ton, „der kein O-Ton mehr ist“, d. h. durch mehrstufige elektronische Bearbeitungen als O-Ton nicht mehr wahrnehmbar ist.

Gegenstand der musikalischen Gestaltung ist die Anordnung und Modifikation der O-Ton-Elemente nach dramaturgischen Gesichtspunkten. Dabei werden die verschiedenen Materialkategorien in wechselnden Konstellationen bzw. Formteilen miteinander kombiniert. Es entstehen zwölf voneinander unterscheidbare Formteile, die bei einer Aufführung mit zwölf individuellen Lichtstimmungen korrespondieren. Es kommt zur gegenseitigen Beeinflussung von Einzelklängen, deren wechselseitiger Durchdringung, zur Bildung von Klangschichten, bis zur Preisgabe der Wiedererkennbarkeit d. h. zur Aufgabe der Individualität einzelner Klangelemente.

Das Hören von derartigen Klangkreationen ist auf prinzipiell auf zweierlei Art möglich: entweder „kontextorientiert“, d. h. der Hörer kennt die originalen Orte der Klangaufnahmen und kann sie entsprechend zuordnen, oder „musikalisch abstrakt“, d. h. die verwendeten Klänge werden vor allem als Teil einer größeren künstlerischen Gestaltungsabsicht gesehen und auch entsprechend in ihrem Zusammenhang bewertet. Die gängige Praxis wird jedoch eher in einer Verbindung dieser beiden Ebenen bestehen.

Voraussetzung für eine wie auch immer geartete Bearbeitung der Klänge ist – wie bereits erwähnt – ihre vorherige Fixierung auf einem Tonträger, d. h. heute in der Regel im Computer oder genauer gesagt auf einem computerlesbaren Speichermedium. So aufbewahrt läßt sich ein Klang prinzipiell auf zwei Ebenen bearbeiten. Dazu gehört zunächst – als erste Ebene – die Veränderung seines zeitlichen Ablaufs. Bereits einfache schnittechnische Bearbeitungen lassen sich zu dieser Kategorie rechnen. Interessanter wird es jedoch, wenn zeitliche Dehnungen oder Stauchungen des Originalklanges durchgeführt werden. Dies kann einerseits bei gleichbleibender Tonhöhe des Originals erfolgen. In diesem Fall ist das Resultat bei Faktoren kleiner als 4 bis 8 dem Original noch sehr ähnlich, vergleichbar etwa einem Sprecher, der seinen Text sehr schnell oder sehr langsam spricht. Andererseits kann bei der Änderung des zeitlichen Ablaufs auch die Tonhöhe mit verändert werden. Jeder kennt diesen Effekt aus Zeiten alter Spulentonbandgeräte, bei denen durch Umschalten der Bandgeschwindigkeit das Klangmaterial entweder mit doppelter Geschwindigkeit um eine Oktave nach oben transponiert oder mit halber Geschwindigkeit eine Oktave abwärts transponiert wiedergegeben wird. Insbesondere die Verlangsamung der Wiedergabegeschwindigkeit, was im digitalen Bereich einer Herabsetzung der Sampling-Rate entspricht, hat sich als musikalisch ergiebig erwiesen, da auf diese Weise zahlreiche Details der originalen Klangstruktur plötzlich hörbar werden, die im Original zwar schon vorhanden waren, aufgrund ihrer kurzen Dauer dort aber nicht separat wahrnehmbar waren. Diese Technik des zeitliche Dehnens wird auch als „Mikroskopieren“ von Klängen bezeichnet, da hier Bekanntes – d. h. in diesem Fall die Originalklänge bzw. deren Bestandteile – aus neuartigen Perspektiven wahrnehmbar werden.

Neben der Modifikation der Zeitdimension lassen sich Klänge auch in ihrem Frequenzaufbau verändern. Dazu gehören einfache Filterungen, die einzelne Obertonbereiche in ihrer Lautstärke verstärken oder abschwächen und damit den Klang-


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