6. Thesen zur Handymusik
Die Betrachtung des Untersuchungsgegenstandes Handymusik durch die Analyse der
Werke und ihrer Verortung in musikwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen
läßt sich in vier Thesen zusammenfassen. Diese Thesen verdeutlichen die in dieser Arbeit
gewonnenen Beobachtungen und Erkenntnisse.
These 1: Die Kombination der Qualitäten des Handys bestimmt die
Handymusik
Die Annäherung an die spezifische Materialität des Mobiltelefons erfolgte über seine
zentralen Qualitäten mobil, immer eingeschaltet, potentiell immer vernetzt und digital.
Es hat sich gezeigt, dass es Werke gibt, die mit allen Qualitäten des Handys arbeiten
und andere, die (gezielt oder unbewusst) nur einige der Qualitäten einsetzen. Bei Wählt
die Signale! etwa liegen die Mobiltelefon unbeweglich im Museum, was die Qualität der
Mobilität ad absurdum führt. Nanoloop dagegen benutzt nicht die Qualität der
Vernetzung. Man könnte sich fragen, ob es Sinn macht, die Handymusik entlang der
genutzten und nicht genutzten Qualitäten des Handys einzuteilen, also festzulegen,
welche Qualität jeweils im Vordergrund steht und daran Kategorien für Handykunst
zu konstruieren. Die Konzentration auf genau eine im Vordergrund stehende
Qualität setzt aber einen falschen Fokus. Nicht die einzelne Qualität, sondern
die Kombination der Qualitäten machen das Handy aus. Die aufgrund der
Qualitäten des Handys entstehende Handymusik wird gerade von der Kombination
geprägt, sie determiniert die Materialität der Handymusik. Außerdem gibt
es noch nicht genügend Werke, als dass sich eine solche Unterteilung lohnen
würde.
These 2: Handymusik ist Klangkunst
Die vier zentralen Aspekte der Klangkunst sind: erstens die genutzte Technik
beziehungsweise die Neuen Medien, zweitens die Intermedialität, drittens die Interaktion
und viertens der Raum. Alle diese vier Aspekte sind den Werken der Handymusik
immanent. Der erste Aspekt, die genutzte Technik, zeigt sich schon an der Bezeichnung
Handy-musik. Das ursprünglich zum Telefonieren entwickelte Neue Medium Handy und
seine als Anrufsignalisierung dienenden Klingeltöne werden im Rahmen künstlerischer
Praxis genutzt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie viele unterschiedliche
Möglichkeiten des musikalischen Gebrauchs Musiker finden: Bei Nanoloop wird das
Handy als mobiler Sequenzer genutzt. Text.FM verwendet das Handy als Sender für
Textnachrichten, die live zur Klangkollage im Radio werden. Das Übermitteln von
Herzfrequenzen, die dann die Grundlage eines Chorwerks bilden, ist die Aufgabe des
Mobiltelefons bei Kadoum. Beim Werk Wählt die Signale! sind die Handys
Instrumente, die von den Teilnehmern fernbedient
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